Esraj Geschichte Teil 6

Als Harkara abnahm, meldete sich unsere Bekannte vom Frankfurter Flughafen: "Oh, es tut mir so leid. Ich habe mich geirrt, mein Flug ist bereits in einer Stunde." Puhh! Wir fuhren weiter, aber es war klar, dass wir es nicht schaffen.

Erstaunlicherweise brauchten wir dann noch eine ganze Woche um die Esraj wirklich fertig zu stellen. Dann besuchten wir beide unsere Eltern um Weihnachten zu feiern. Wir mussten immer noch einen Koffer für das Instrument bauen, aber wir hatten noch eine Woche - so kein Problem. Als wir uns nach Weihnachten trafen, hatte das Fell Falten und war sehr lose. Es war klar, wir mussten wieder in Aktion treten. Zum Glück hatten wir bis dahin bereits 2 extra Felle. Wir holten uns wieder Rat bei unserem kalifornischen Freund und begannen erneut mit der gesamten Fellaufziehprozedur. Das bedeutet alle 27 Saiten abzuspannen, das alte Fell herunter zu schneiden, das neue Fell einzuweichen und vorzubereiten und dann wieder aufzuspannen. Wir hofften, dass diesmal alles glatt läuft.

Unsere letzte Hoffnung für eine entspannte Woche vor der Reise löste sich in Wohlgefallen auf. Sogar die letzte Nacht vor der Abreise war mit dem Bauen des Instrumentenkoffers belegt.

Am nächsten Tag flog ich mit dem Instrument nach Australien. Harkara hatte einen späteren Flug und kam erst am nächsten Tag. Er nahm ein paar Werkzeuge und ein Ersatzfell mit, nur für den Fall falls es wieder Probleme gibt.

Nach fünf Wochen intensiver Arbeit waren wir sehr glücklich und zufrieden mit dem Instrument. Es war laut, leicht und hatte einen wunderschönen Klang. Der Flug war sehr lange, aber ich war so müde, dass ich fast die gesamte Zeit schlief. Bei der Ankunft musste ich durch den Zoll. Sie wollten, dass ich den Instrumentenkoffer öffne. Oh weh, sie waren nicht einverstanden mit dem frisch geleimten Ziegenfell. Ich konnte es nicht glauben! Wegen ihrer strengen Quarantänevorschriften wollten sie mir nicht erlauben das Instrument mit nach Australien zu nehmen. Sie gaben mir zwei Optionen: Entweder das Instrument nach Sydney zu senden und radioaktiv bestrahlen zu lassen, was ca. 5 bis 6 Wochen dauert oder es bei der Abreise wieder mit nach Deutschland zu nehmen. Mir gefielen keine der beiden Optionen, so kam ich ohne Instrument am Hotel an.

Am nächsten Tag traf ich zufällig Sri Chinmoy in der Lobby. Er ist gerade angekommen. Sofort frage er mich nach der Esraj. Ich erzählte ihm die gesamte Geschichte. Sri Chinmoy war einen Moment still, sagte dann: "Gib ihnen das Fell!" und verlies das Hotel. Einen kurzen Moment später eilte unsere Reiseorganisatorin Saraswati in die Lobby und erzählte mir: "Sri Chinmoy sagte: Tue es heute!"

So holte ich mir ein Messer aus meinem Zimmer und fuhr direkt zum Flughafen, wo die Esraj beim Zoll gelagert war. Am selben Tag kam Harkara an und wir trafen uns als ich gerade das Flughafengebäude betrat. Ich erzählte ihm was passiert war und hoffte auf das Ersatzfell in seinem Koffer. Aber leider musste er es auch abgeben. Nach seinem langen Flug begab er sich mit anderen Schülern erst einmal zum Hotel. Und ich ging mit diesen schlechten Neuigkeiten zur Zollbehörde.